Todeswoge by Katharina Peters

Autor:Katharina Peters [Peters, Katharina]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2018-10-18T16:00:00+00:00

13

Emma hatte tief und fest geschlafen. Als sie aufwachte, waren mehrere Nachrichten auf ihrem Handy eingegangen. Der Inhalt von Johannas Mitteilung war spektakulär, aber nicht völlig überraschend für sie. Seitdem klar war, dass nicht Beyers Leiche in der Grube lag, rechnete sie mit einem großangelegten Betrug. Es fragte sich nur, in welcher Weise und warum. Immer wieder ging es um Eichborn und Beyer. Amsterdam.

Sie stand auf und kochte Tee, während sie Mulls weitergeleitete Dateien auf ihrem Laptop öffnete und mit zunehmender Verblüffung seine Nachforschungen durchging. Das klang wie ein großes, wirres Puzzle, bei dem nur wenige Einzelteile verstreut vor ihr lagen. Emmas erster Gedanke war, Lilo Eichborn anzurufen – sie wusste garantiert einiges über die Hintergründe, ebenso die Kanzlei, davon war sie fest überzeugt –, entschied sich aber dann dagegen. Darum würden sich die Hamburger selbst kümmern.

Eine ältere Schwester von Sina Ruhl lebte inzwischen in Wismar, wie Mull weiter recherchiert hatte; sie war Vorsitzende eines Gehörlosenvereins und leitete Projekte und Initiativen, zudem führte sie Beratungen und Fortbildungen durch, die Interessierten aus Mecklenburg-Vorpommern, aber auch weit darüber hinaus offenstanden. Julia Ruhl hatte nach einem Unfall als Jugendliche ihr Gehör weitgehend verloren, wie auf der Website des Vereins nachzulesen war. Durch eine aufwendige Operation war es jedoch vor einigen Jahren gelungen, ihre Hörfähigkeit zu einem Teil wiederherzustellen. Dass sie auf einem Segelboot während einer Kurzreportage ausgerechnet zum Kilian-Eichborn-Unglück ins Bild geraten war, die Mull akribisch ausgewertet hatte, durfte als denkwürdiger Zufall gewertet werden.

Emma trank eine halbe Tasse Tee und sprang unter die Dusche. Ihr Frühstück fiel dürftig aus. Als Christoph anrief, lief sie gerade die Lübsche Straße Richtung Park der Solidarität hinunter. Er schwieg fast eine Minute, nachdem sie ihn auf den neuesten Stand gebracht hatte.

»Verrückt«, meinte er schließlich.

»Kann man so sagen.«

»Ich muss ein paar Stunden schlafen. Dann könnte ich mich wieder melden.«

»Tu das.«

»Ja.«

»Ich freue mich auch«, fügte sie leise hinzu. »Bis später.« Es klickte.

Der Verein hatte Sitz und Verwaltung im Erdgeschoss eines Hauses neben der Heiliggeistkirche; dort standen neben einem Empfangsbüro, das bereits besetzt war, auch Räumlichkeiten für Besprechungen und Veranstaltungen zur Verfügung. Julia Ruhl – eine zarte Frau mit großen dunklen Augen – sah ihr aufmerksam entgegen und deutete eine fragende Geste an.

Emma schüttelte den Kopf. »Guten Morgen, Frau Ruhl. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?«

»Natürlich.« Sie wies auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. »Was kann ich für Sie tun? Interessieren Sie sich für die Angebote des Vereins, oder wünschen Sie eine umfassende Beratung? Dazu müssten wir allerdings einen gesonderten Termin vereinbaren.« Sie bemühte sich, auffallend deutlich und klar akzentuiert zu sprechen.

»Nichts dergleichen. Mein Name ist Emma Klar, ich unterstütze als private Ermittlerin die Nachforschungen mehrerer Dienststellen zu einer Mordserie.«

Ruhls Augen wurden noch größer. »Ach du liebe Güte. Geht es um das tote Mädchen?«

»Unter anderem. Sagt Ihnen der Name Ingo Beyer etwas?«

Ruhl legte die Hände auf den Tisch. Sie überlegte lange. »Ja«, meinte sie dann schlicht. »Natürlich. Es ist lange her, aber so etwas vergisst man natürlich nicht.«

»Können Sie mir mehr dazu erzählen, als die Polizeiakten hergeben und die Medien verbreitet haben?«

Ruhl schob den Stuhl ein Stück zurück.

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